Seit mehr als 20 Jahren unterhält der NABU Altenkirchen eine kleine Schafherde, die gezielt zur Beweidung von ausgesuchten Flächen, vorwiegend in Bachtälern, eingesetzt wird.
In den vergangenen Jahren sind vielerorts Großbeweidungsprojekte mit ursprünglichen Rinder- und Pferderassen initiiert worden. So vorteilhaft sich solche Projekte in vielen Bereichen darstellen, für lokale Gruppen sind sie aufgrund des hohen Flächenanspruchs kaum realisierbar. Welche NABU-Gruppe verfügt schon zusammenhängend über mehr als 40 Hektar Weidefläche?
Wer trotzdem die durchaus überzeugenden Vorteile von Tierbeweidung nutzen will, landet früher oder später bei der Schafbeweidung mit vorwiegend alten, bewährten Rassen.
Schafbeweidung hat gegenüber der Großtierbeweidung entscheidende Vorteile. Man kann selbst kleinste Flächen, abgesichert mit einem Elektrozaun ohne großen Aufwand beweiden. Größere und regelmäßig beweidete Flächen werden in der Regel mit einem fest installierten Knotengitterzaun an Eichenpfählen ausgestattet. Wir haben uns als Zaun-Grundkonstruktionsmaterial für Eichenspalt- und Kantholz entschieden weil jeder naturbelassene Eichenpfahl ein eigenes Biotop bildet und Lebensraum für Insekten, Flechten , Moose und Pilze bietet. Wo Wölfe ihr Revier haben oder auch nur Einzelgänger herumstreunen, müssen dies Zäune zusätzlich mit drei Litzen elektrifiziert werden. Solche Zäune können von NABU-Gruppenmitgliedern ohne größere Probleme selbst gebaut werden. In manchen Fällen, z.B. bei besonders wertvollen Flächen werden Zäune von Naturschutzbehörden bezuschusst.
Das Umsetzen bzw. der Transport der Tiere ist wesentlich einfacher und mit einem ausreichend großen Hänger schnell bewerkstelligt. Wer allerdings nicht mit Hunden arbeitet, braucht bauliche Hilfen und ein bis zwei Helfer, um eine effiziente Hängerbeladung zu gewährleisten. Fest installierte Fangkorridore oder Elektronetze leiten die Herde zum Hänger und die ewige schafeigene Fressgier hilft, die natürlich Angst vor engen, dunklen Örtlichkeiten auszuschalten. Die Helfer treiben zögerliche Tiere in den Hänger und verschließen die Klappe – mit etwas Übung fast immer ein Kinderspiel…
Schafe sind mit einem Körpergewicht zwischen 30 und 80 Kilo wesentlich leichter zu handhaben als zentnerschwere Urrindviecher oder wirklich wilde Wildpferde. Für die regelmäßige Behandlung gegen Parasiten, Impfungen und im Falle von Krankheiten ein wirklich großer Vorteil. Vorsichtshalber sei aber nicht verschwiegen, dass ein hormondurchwirbelter 80 kg schwerer Schafbock auch ein gestandenes aber unvorsichtiges Mannsbild problemlos über den Haufen rennen oder gezielt 'abschiessen' kann.
Schwierigkeiten bereitet die frühe Fruchtbarkeit von Schafen. Bereits im ersten Herbst nach der Geburt werden die meisten weiblichen Tiere aufnahmefähig. Dies
ist allerdings nicht erwünscht, da die Tiere zu diesem Zeitpunkt noch klein und nicht voll entwickelt sind. Zudem sollen die meisten von ihnen nach 1-2 Jahren der Schlachtung zugeführt werden.
Dieser Konflikt führte auch bei uns dazu, dass nach einigem Hin und Her eine zweite Herde eingerichtet wurde. Nun betreuen wir eine reine `Weiberherde´ mit minderjährigen Töchtern und wenigen
älteren Mutterschafen die eine einjährige Lamm-Auszeit genießen dürfen sowie einzelnen "Großmüttern" die ihr Gnadenbrot bis zum natürlichen Ableben genießen. Die Hauptherde setzt sich zusammen
aus dem Zuchtbock mit den zuchtfähigen Schafen sowie den jugendlichen Böcken des aktuellen Jahrgangs. Da ein vernünftiges Schlachtgewicht bei unseren Biotopschafen meistens erst nach 1-2 Jahren
erreicht wird, bleiben beide Herden durchgehend bestehen.
Im Jahresablauf wird’s ab Ende März interessant, wenn die Vegetation so langsam in Gang kommt. Bis dahin sind dann (je nach timing) auch die meisten Lämmer
geboren worden. Günstig sind dann winterquartiernahe Flächen mit relativ schlechter Futterqualität. Nach der eiweißarmen Winterversorgung können
nicht selten Unverträglichkeiten beobachtet werden, wenn die ersten Weideflächen zu eiweißreiches Futter bieten. Wer Orchideenwiesen oder Flächen mit Beständen des Großen Wiesenknopfs
(Futterpflanze der Wiesenknopf-Ameisenbläulinge) bewirtschaftet, macht zu dieser Zeit einen ersten Weidegang. Natürlich müssen für den April und Mai ausreichend Flächen zur Verfügung stehen, die
nicht in Förderprogramme mit Beweidungsverbot bis Juni (z.B. EULA/PAULA) eingebunden sind. Ab Juni / Juli können dann auch Förderprogrammflächen beweidet werden. Bei uns sind das Streuobstwiesen
und Weideflächen an verschiedenen Bächen. Wir haben vor vielen Jahren die Bachpatenschaft an zwei regional
bedeutsamen Bächen dem Driescheiderbach und dem Ölferbach übernommen.
Unser hauptsächliches Augenmerk haben wir in der Zwischenzeit auf den Ölferbach
gerichtet. Das Ölferbachtal und seine Bachauen zwischen Kettenhausen und Niederölfen gelten als der wertvollste und artenreichste Lebensraum in der näheren Umgebung von Altenkirchen. Als
Vernetzungskorridor zwischen Sieg und Wied kommt dem Bach auch eine überregionale Bedeutung zu. Neben einer reichen Flora mit seltenen Pflanzenarten wie z.B.
Öhrchenhabichtskraut, Rundblättrige Glockenblume oder Thymian, die noch in wenigen Säumen (oft im Schutze von Doppelzäunen) angetroffen werden, findet sich auch eine bemerkenswerte Fauna wie z.B.
Sumpfgrashüpfer, Kaisermantel, Sumpfschrecke (Stethophyma grossum) sowie der Helle und der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Maculinea sp.). Die früher anzutreffenden
Braunkehlchen und Wiesenpieper sind als Brutvögel verschwunden, dafür brüten mehrere Neuntöterpaare und die Dorngrasmücke im Bereich. Graureiher, Silberreiher und Schwarzstorch sind regelmässige
Nahrungsgäste im Tal.
Um diese Artenvielfalt zu erhalten wird auf unseren Flächen eine kombinierte Nutzung der Bachauen als Mähwiesen und Weidegrünland praktiziert. Für die
Ameisenbläulinge sind die Flächen so zu pflegen, dass sie der komplexen Biologie dieser Falter entgegenkommen. Inzwischen sind viele relevante Flächen im Tal gesichert und durch unser Gruppe
bewirtschaftbar. Seit 2020 sind wir Teil eines Schutzprogrammes für Ameisenbläulinge der Stiftung Natur- und Umwelt Rheinland-Pfalz. Die Pflege mit Großgerät wird durch unser Mitglied Michael
Klöcker ehrenamtlich geleistet. Ein Teil der Aue wird mit der Schafherde beweidet. Viele Flächen sind bereits mit einem (zum Teil wolfsicheren) Festzaun versehen. In weiteren Zeitabschnitten
sollen kontinuierlich weitere Knotengitterzäune gebaut werden.
Längere Abschnitte werden dabei unterteilt, wertvolle Säume zwischen Einzelflächen wiederum mit Doppelzäunen geschützt. Dabei ist darauf zu achten, dass weiterhin eine Beweidung zwischen den Doppelzäunen möglich ist. Dazu muss das Knotengitter umgedreht (auf dem Kopf) montiert werden, damit die großen Fächer bodennah zu liegen kommen. Dies erhöht auch die Durchgängigkeit für Kleintiere. Zusammen mit einer geringen Zaunhöhe von 90cm (120cm mit Wolfsschutz) ermöglichen wir außerhalb der stromunterstützten Betriebszeiten vielen Wildtieren den Zugang auf die ausgezäunten Flächen. Die Anwesenheit des Wolfes und die dadurch notwendigen Schutzvorkehrungen beeinträchtigen allerdings die Durchgängigkeit während des Betriebs und führt zusätzlich zu einer deutlichen zeitlichen Mehrbelastung unserer Aktiven. Für Wildschweine müssen mindestens einzelne Flächen als Passagen zaunfrei bleiben. Viele Flächen am Ölferbach sind ungebunden und ohne Auflagen frei bewirtschaftbar. Dies hat den Vorteil, die Pflege zielgerichtet und sehr flexibel gestalten zu können.
Im Spätsommer und Herbst stehen unsere Schafe auch auf besseren Weiden mit zumindest theoretisch eiweißreicherem Futter. Dieser relative Mangel an Eiweiß begleitet unsere Biotopschafe durch ihr ganzes Leben. Selbst das Winterheu ist von minderer Qualität, da unsere Flächen immer sehr spät im Jahr gemäht werden. Solche Ernährungsmankos halten in der Regel nur genügsame, alte Schafrassen aus, ohne dass es zu Erkrankungen und Mangelerscheinungen kommt. In unserer Herde waren verschiedene alte Rassen vertreten: Rhönschaf, Graue Gehörnte Heidschnucke, Bentheimer Landschaf, Coburger Fuchsschaf, Rauhwolliges Pommersches Langschaf aber auch deren gemischte Abkömmlinge. Die Herbstbeweidung dauert nicht selten bis weit in den Dezember und wird erst durch länger Frostperioden oder Schneefall beendet.
Die gut 3 Monate andauernde Winterhaltung stellt ihre speziellen Ansprüche an die Betreuung. Neben einfachen Unterständen muss eine durchgehende Versorgung mit Rauhfutter gewährleistet sein. Bei geringerer Heuqualität kann man mit 1-2 Rundballen pro Tier und Winter rechnen – da kommt bei 20-30 Tieren schon etwas zsammen! Für die Ballen werden Heuraufen benötigt, diese gibt es als gedeckte Heuraufen oder als preisgünstigere Variante als ungedeckte Rundballenraufen. Im Winter wird den Tieren zusätzlich ein Ergänzungsfutter aus Getreide und Zuckerschnitzel zur Verfügung gestellt. Dies ist vor allem für trächtige und laktierende Schafe unabdingbar. Mineralfutter erhalten die Tiere ganzjährig.
Der Pflege- und Kostenaufwand für eine biotoppflegeorientierte Schafhaltung ist erheblich und sollte vor der Gründung einer Herde gut bedacht werden. Neben den vielfältigen Arbeiten die durch die Tiere anfallen (tägliche Kontrollgänge, Fußpflege, Impfungen, Entwurmung, Fütterung, Schur usw.) wird auch eine gewisse Infrastruktur benötigt (PKW mit Viehanhänger, Trecker mit Zubehör, Ballenraufen, Unterstände, Heulagermöglichkeiten und Zaunanlagen). Daneben fallen zunehmend bürokratiebedingte Aufwendungen an (Herdbuchführung, Medikamentenzettelverwaltung, Markierungsarbeiten usw.).
Der durchschnittliche Zeitaufwand (ohne Wolf) für eine etwa 20-köpfige Biotoppflege-Schafherde beläuft sich locker auf etwa 2 Stunden pro Tag und dies 365 Tage im Jahr!
Neue Herausforderungen ungeahnten Ausmaßes ergeben sich bei der Anwesenheit eines Wolfsrudels in mittelbarer Nähe der Weiden. Täglich 30 bis 40 km und zurück zum Wurf werden von Wölfen problemlos bewältigt. Es fallen viele zusätzliche Stunden für die Herdensicherung mit Elektrovorrichtungen an. Je mehr Einzelflächen bestossen werden, umso Aufwändiger wird das Beweidungsszenario. Der Zeitaufwand verdoppelt sich. Bei uns hat es dazu geführt, dass die zweite Herde abgeschafft wurde und wir nur noch alle paar Jahre mit einem Leihbock nachzüchten. Bocklämmer werden kastriert. Um die Arbeiten rund um die Herde zu leisten werden mindestens 2-3 BetreuerInnen benötigt, die für Urlaubabwesenheit, Umtrieb- und Einfangaktionen auf weitere 1-2 Personen zurückgreifen können.
Den Mühen und Sorgen die eine Schafherde bereitet, stehen optimal gepflegte Biotope, die Arbeit mit den Tieren und nicht zuletzt, falls man züchtet, viele schöne Lammbraten in bester lokaler Fleischqualität gegenüber.
Indess: der Wolf wird alte Aktivitäten stoppen und viele zukünftige Projekte verhindern. Nach den massiven Veränderungen durch unsere industrielle Landwirtschaft gefährdert leider auch dies, letztlich den Bestand unserer Kulturlandschaft.